Andacht zur Jahreslosung

Nachricht Hannover, 01. Januar 2018

Durst nach Leben

Sinnsuche

Die Sinnsuche hat kein Ende, die Ruhelosigkeit bleibt. Unruhig ist meine Seele, bis sie Ruhe findet in Dir, schreibt der Kirchenvater Augustin. Im Übergang zum neuen Jahr bleibt der Durst, diesem Leben einen Sinn abzutrotzen, der nicht in den paar Jahren liegt, die mir auf Erden gegeben sind. Der Durst ist ein schmerzliches In-sich-verzehren nach Liebe und Glück. Der Durst bleibt zugleich die vergebliche Anstrengung, dem Tod zu entrinnen und dem Schmerz davon zu laufen. Dieser Durst wird nie gestillt. Niemals werden wir fertig in diesem Leben. Immer bleiben wir durstig und voller Lebenshunger. Immer bleiben die Wünsche, die Träume nach einer anderen, einer besseren Welt. So pilgern wir durch die Zeiten. 

Rose Ausländer

Die jüdische Dichterin Rose Ausländer schreibt: 

Die Herzschläge nicht zählen 
Delphine tanzen lassen 
Länder aufstöbern 

Aus Worten Welten rufen 
Horchen was Bach Zu sagen hat 
Tolstoi bewundern 
Sich freuen 
​Trauern
Höher leben
Tiefer leben
Noch und noch Nicht fertig werden

Wir werden nicht fertig

Wir werden nicht fertig. Auch im neuen Jahr nicht. Gestalt und Farbe des Paradieses, das wir suchen, sind nicht so wichtig wie dieses, dass einer da ist, der den Durst nach Leben stillt. Dass einer da ist, wie und wo auch immer, der das Stoßgebet hört und das Scherflein verbucht, das die Witwe in den Tempel bringt. In dieser Heimatlosigkeit ist die Bibel unser großes Trostbuch. Sie kann trösten, weil sie die Angst kennt. Die biblischen Geschichten tragen unseren ganzen Gefühlshaushalt in sich. Kein Gefühl ist zu hoch, keines zu niedrig. Nichts Menschliches ist der Bibel fremd.

Auf diesen Boden fällt auch die tröstliche Zusage aus dem letzten Buch der Bibel, der Offenbarung. „Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. (Offenbarung 21,6).

Mit diesem Trost gehen wir in das neue Jahr. Sie ist noch Zukunftsmusik. Gott wischt noch nicht alle Tränen von unseren Augen. Es gibt noch Tod und Leid und Geschrei und Schmerz. Aber das ist schon geschehen: Gott ist unter uns. Gott mit uns – Immanuel. Gott, Mensch geworden, lebt er in unseren Städten und Dörfern. Er lebt in der schicken Villa, im schlichten Haus. Er sitzt im Café und lächelt uns an der Ampel an. Er ist schon unter uns. Mensch unter Menschen, in unserer alten Welt. Wir aber bleiben auf dem Weg, auf dem Gott uns Fülle verheißen hat. Er wird uns speisen, er wird uns tränken. Er schenkt uns voll ein und hüllt uns in Güte und Barmherzigkeit. So lasst uns mutig gehen in das neue Jahr. Mit unserem Durst. Mit unseren Fragen. Unfertig wie wir sind. Er ist uns zur Seite und spricht: „Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“

Ein gesegnetes Jahr wünscht Ihnen Ihr Ralf Meister

Jahreslosung 2018

"Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst."  

Offenbarung 21,6

Der Autor

Landesbischof Ralf Meister