Kalender

Foto: Sassi / www.pixelio.de

Angedacht

Nachricht Bremervörde, 04. Dezember 2015

„Gott spricht:
Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“
(Jes 66,13)

Ich war zu schnell gelaufen, war heftig gestürzt und hatte mir kräftig das Knie aufgeschlagen. Meine Mutter nahm mich auf den Schoß und tröstete mich. Ein Urbild des Trostes für mich.
Was geschieht hier? Das Knie ist nicht besser, es blutet und muss verbunden werden. Und doch ist beinahe alles gut durch den mütterlichen Trost. Ist das Vertröstung - die berüchtigte? Sind Tröstungen „wohlfeile Arzneien“? Hat Friedrich Dürrenmatt
recht: „Wenn ich Trost gebe, lüge ich; dann beruhige ich, und das ist falsch“?

Aber was sollte falsch sein, ein weinendes Kind zu trösten oder
Trauernden beizustehen? Wichtig ist, dass jemand da ist in der
Not. So wird die innere Verletzung gelindert, gestillt, geheilt vielleicht gar. Und so entsteht Kraft, den äußeren Wunden Stand zu halten.
Gewiss, es gibt billigen Trost. „Alles wird gut“, „Ist doch nicht so
schlimm“, „Reiß dich zusammen.“ Sätze, die so gesagt werden,
manchmal aus Hilflosigkeit. Gut gemeint, aber sie helfen nicht.

Und doch: Ohne Trost kann keiner den Nöten und Herausforderungen
des Lebens standhalten. Der Trost der Mutter ist wahr. Und der Trost Gottes auch. Durch ihn bekommen Menschen neue Kraft. Der Gott der Bibel ist „ein Gott des Trostes“, wie Paulus sagt (Römer 15,5). Das wird am intensivsten sichtbar, wenn Jesus Christus unser aller Traurigkeit und Trostlosigkeit selbst erleidet – und sie überwindet. So gilt: Es gibt keine Traurigkeit,
in der Gott nicht an unserer Seite ist. Für Christenmenschen der tiefste Grund allen Trostes.
Es ist bemerkenswert: Die Bibel gebraucht für diesen Trost Gottes
weibliche Bilder: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. Gewiss ein Bild. Gott ist nicht Mann und nicht Frau. Aber wir Menschen brauchen Bilder, denn wir sind sinnliche Wesen. Unser Herz empfindet, denkt und träumt in Bildern.
Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.
Für Israel
war dieses Bild ein starkes Hoffnungsbild. Es hatte eine Katastrophe erlebt: Feindliche Eroberung, Vertreibung und Exil: „An den Wassern Babylons saßen wir und weinten“, heißt es über diese bedrückende Zeit im Psalm 137. In diese Situation der Tränen hinein spricht Jesaja ihnen zu: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

Wahrer Trost nimmt das Leid ernst. Er kann es damit nicht aufheben.
Der Trost nimmt das Leiden nicht fort. Aber Trost kann dem Leiden das Lähmende nehmen, das Zerstörerische. Damit kann er Kraft geben, das Unabwendbare zu tragen. Und die Freiheit, das Veränderbare anzupacken. Der Trost Gottes, der uns tröstet wie eine Mutter, ist nicht Beschwichtigung, sondern Stärkung und Ermutigung.

Solch heilsamen Trost, der befreit und trägt, wünsche ich Ihnen am Beginn des neuen Jahres 2016!

Es grüßt Sie herzlich

Ihr
Hans Christian Brandy,

Landessuperintendent für den Sprengel Stade